2021

Space Weather Jahreszusammenfassung

 
Flares / Sonneneruptionen:

Flares (Sonneneruptionen) sind extreme Strahlungsausbrüche auf der Sonnenoberfläche, die meist als Folge magnetischer Kurzschlüsse im Bereich größerer magnetisch komplexer Sonnenfleckengruppen auftreten. Flares strahlen im gesamten elektromagnetischen Spektrum. Häufig werden sie nach zwei Kriterien klassifiziert, zum einen nach der Flächenausdehnung während ihrer maximalen Intensität in der Emissionslinie des neutralen atomaren Wasserstoffs (Klassen 1, 2, 3, 4 mit Helligkeitsunterklassen F, N, B), zum anderen nach der maximalen Strahlungsleistung der Röntgenstrahlung im Wellenlängenbereich 0,1-0,8nm, gemessen am Oberrand der Erdatmosphäre (Klassen B, C, M, X).

Zwei Jahre ist es bereits wieder her, seit die Sonne ihr Minimum zwischen den Zyklen SSC 24 und SSC 25 durchlaufen hat, und so ist es auch nicht überraschend, dass langsam wieder ein Anstieg in der Zahl an Sonneneruptionen festgestellt werden kann. So wurden im Jahr 2021 insgesamt schon 437 Flares ab der Klasse C (Strahlungsleistung > 0,000001W/m²) registriert (z.Vgl. 2020: 87), was den höchsten Wert seit immerhin 6 Jahren markiert. 30 Flares übertrafen dabei auch den Schwellwert zur Klasse M (Strahlungsleistung > 0,00001W/m²) (z.Vgl. 2020: 2). Und erstmals seit September 2017 gab es, nach 1391 diesbezüglich ruhigen Tagen, auch wieder Flares der Klasse X (Strahlungsleistung > 0,0001W/m²), zunächst am 3. Juli 2021 (X1.5) und dann auch nochmals am 28. Oktober 2021 (X1.0). Als aktivster Monat des Jahres zeichnete sich dabei der letzte Monat des Jahres, der Dezember aus, mit gleich 164 Eruptionen der Klasse C oder höher, was den höchsten Monatswert seit immerhin März 2015 markiert.

Vergleicht man die Werte mit den Starts der beiden unmittelbar vorausgehenden Sonnenaktivitätzszyklen, so schneidet der aktuelle Zyklus bislang mittelmäßig ab. Denn die insgesamt 524 Eruptionen (davon 32 Klasse M und 2 Klasse X) der ersten 25 Monate des Zyklus SSC 25 liegen zwischen den im jeweils gleichen Zeitraum erzielten 222 Flares (davon 23 Klasse M und 0 Klasse X) des schwachen Sonnenfleckenzyklus SSC 24 und den 1044 Sonneneruptionen (davon 88 Klasse M und 12 Klasse X) des deutlich stärker entwickelten Aktivitätszyklus SSC 23.

 
Protonen-Events:

Als Protonen-Event bezeichnet man das Eintreffen einer signifikanten Menge hochenergetischer Protonen, die mit großer Geschwindigkeit von der Sonne abgegeben werden und in der Folge das Sonnensystem rasend schnell durchqueren. Als Verursacher für solche Ereignisse kommen zum einen intensive Sonneneruptionen in Frage, eine erhebliche Anzahl starker Protonen-Events dürfte aber vor allem auf die beschleunigende Wirkung von Schockfronten expandierender CMEs (Koronaler Massenauswürfe) mit Schockstruktur zurückzuführen sein. Klassifiziert werden Protonen-Events nach ihrer Raumdurchflussstärke, die am Oberrand der Erdatmosphäre gemessen wird, wobei für die NOAA Sturmkategorien speziell Protonen mit Energiebeträgen über 10MeV in die Bewertung einfließen.

Nach einem bemerkenswert langen Zeitraum von 1351 Tagen ohne Protonen-Event konnte am 29. Mai 2021 erstmals wieder ein Ereignis nach obiger Definition registriert werden, zwei weitere sollten im selben Jahr noch folgen. Die lange Phase ohne einen einzigen Protonen-Event markiert aber den insgesamt längsten derartigen Zeitraum, seit vergleichbare Daten vorliegen, also bis zum Jahr 1976 zurück. Alle 3 Protonen-Events des Jahres 2021 sind nur der untersten Klasse S1 (Raumdurchflussstärke > 10p/srcm²s) zuzuordnen mit dem Jahreshöchstwert von 29p/srcm²s am 29. Oktober 2021 inmitten eines immerhin 1 Tag 22 Stunden und 30 Minuten andauernden Protonen-Sturms.

 
Geomagnetische Aktivität:

Die geomagnetische Aktivität wird vom Erdboden aus mittels Magnetometer erhoben und anhand verschiedener Indizes quantifiziert. Besonders gut für statistische Auswertungen eignet sich dabei der sogenannte Ap-Index, ein weltweit erfasster Wert, der den Grad der geomagnetischen Störungen, bereinigt von Standort- und Tagesgangeffekten, recht gut wiedergibt. Im Jahr 2021 blieb der Jahresmittelwert des Ap-Index erneut und insgesamt bereits das achtzehnte Jahr in Folge unter dem langjährigen Durchschnitt der Jahre 1933-2008 (SSC 17-23) von 14,4. Mit 7,2 übertrumpfte er dabei aber wenigstens die drei unmittelbar davor liegenden noch inaktiveren Jahre 2018-2020. Am geomagnetisch aktivsten zeigte sich im Verlauf des Jahres der März mit einem Ap-Index von 10,2. Die geringste geomagnetische Aktivität wies der Januar auf mit einem Ap-Index von nur 4,4. Vergleicht man die aktuellen Monatswerte mit den entsprechenden langjährigen Mittelwerten der Jahre 1933-2008 (SSC 17-23), so befinden wir uns zum Jahresende 2021 in einer mittlerweile schon 51 Monate lang andauernden Phase (seit Oktober 2017), in welcher in jedem einzelnen Monat der Monatsmittelwert unterschritten wurde. Nur einmal seit Aufzeichnungsbeginn im Jahr 1933 gab es eine in dieser Hinsicht noch länger andauernde Zeitspanne. Von Januar 2007 bis Juni 2012 schaffte es der Ap-Index gleich 66 Monate lang hintereinander nicht, den entsprechenden Monatsmittelwert der Referenzperiode 1933-2008 (SSC 17-23) auch nur zu erreichen.

Betrachtet man tägliche Ap-Werte und weist sie entsprechend einer Definition des NOAA SWPC sogenannten „Geomagnetischen Aktivitätslevels“ zu, so ergibt sich folgende Häufigkeitsverteilung für das Jahr 2021 (in den Spalten rechts der Vorjahreswert sowie kursiv der langjährige Durchschnitt 1933-2008):

quiet / ruhig 246 Tage 2020: 303 langjährig 140
unsettled / unbeständig 89 Tage 2020: 51 langjährig 118
active / aktiv 27 Tage 2020: 11 langjährig 70
minor storm / leichter Sturm 2 Tage 2020: 1 langjährig 25
major storm / starker Sturm 1 Tag 2020: 0 langjährig 10
severe storm / schwerer Sturm 0 Tage 2020: 0 langjährig 2

Als der geomagnetisch aktivste Monat des Jahres 2021 zeigte sich der März mit wenigstens 8 „aktiven“ Tagen, wobei trotzdem gleich 15 Tage geomagnetisch völlig „ruhig“ verlaufen sind. Weniger „ruhige“ Tage gab es aber nur im November mit 14, allerdings fielen in diesem Monat gleich 12 Tage in die Kategorie „unbeständig“, wodurch es nur noch 3 Tagen vorbehalten blieb, die Kategorie „aktiv“ einzunehmen, während aber 1 Tag sogar die Kategorie „starker Sturm“ erreichte (4. November 2021, Ap-Index 72). Das ist durchaus beachtlich, denn um einen geomagnetisch noch stürmischeren Tag vorzufinden, muss man bis zum 8. September 2017 (Ap-Index 106) zurückblättern. Als geomagnetisch ruhigste Monate des Jahres erwiesen sich der Januar und Juli, in welchen keine einzigen Tage die Kategorie „aktiv“ oder höher erreichten, während im Gegensatz dazu gleich 24 bzw. 25 Tage in diesen Monaten über die unterste Kategorie „ruhig“ nicht hinauskamen.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt man auch, wenn man geomagnetische Stürme entsprechend den NOAA Space Weather Scales auswertet. Angelegt an die Saffir-Simpson-Skala für Hurrikanes sind auch die NOAA Space Weather Scales (Strahlungs-, Protonen-, Geomagnetische Stürme) in jeweils 5 ansteigende Stufen mit zunehmender Gefährlichkeit unterteilt. Während im Normalfall G1-Stürme, die durchschnittlich an etwa 88 Tagen pro Jahr auftreten, und G2-Stürme mit immerhin 36 Tagen nicht gerade seltene Ereignisse darstellen, kann mit G3-Stürmen noch an gut 13 Tagen pro Jahr gerechnet werden, während hingegen Stürme der Kategorie G4 mit durchschnittlich 4,5 Fällen und G5-Stürme mit gerade mal 0,3 Fällen pro Jahr nur noch sporadisch in Erscheinung treten. Im geomagnetisch wenig aktiven Jahr 2021 gab es nur an 27 Tagen einen G1-Sturm (z.Vgl. 2020: 9), an 6 Tagen einen G2-Sturm (2020: 1) und an lediglich 2 Tagen einen G3-Sturm (z.Vgl. 2020: 0). Wenigstens an 1 Tag wurde ein G4-Sturm (z.Vgl. 2020: 0) registriert, und zwar am 4. November 2021. Der bislang letzte G5-Sturm ist hingegen schon sehr lange her und datiert vom 30. Oktober 2003. Ein derart langer Zeitraum ohne G5-Sturm ist seit Beginn der regelmäßigen Bestimmung des Kp-Wertes (Januar 1933) nicht annähernd aufgetreten (bislang war der etwas mehr als 11 Jahre andauernde Zeitraum vom 15. März 1989 bis zum 14. Juli 2000 die längste Phase ohne G5-Sturm).

 
Polarlichter:

Ein stark wachsendes mediales Interesse, die zunehmende Anzahl an Beobachtern, der rege Austausch über Internetforen und nicht zuletzt die Anwendung von lichtstarken, häufig auch automatischen Kameras und Webcams führte in den letzten Jahren zu einer übermäßig rasch ansteigenden Zahl an Polarlichtbeobachtungen, die einen Vergleich mit früheren Jahren unmöglich macht. So konnten im deutschsprachigen Raum entsprechend dem umfangreichen und schön gestalteten Polarlichtarchiv von Andreas Möller im Jahr 2021 die Zahl von 14 Nächten (2020: 6) mit Polarlicht notiert werden. Alle diese Ereignisse waren aber auf den Norden Deutschlands begrenzt und selbst dort waren sie überwiegend nur fotografisch nachweisbar oder bestenfalls schwach visuell.

Andreas Pfoser, 15. Januar 2022

Quellen der Rohdaten:
NOAA, Space Weather Prediction Center
Deutsches GeoForschungsZentrum, Helmholtz-Zentrum, Potsdam
WDC SILSO, Royal Observatory of Belgium, Brussels

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