2019

Space Weather Jahreszusammenfassung

 
Flares / Sonneneruptionen:

Flares (Sonneneruptionen) sind extreme Strahlungsausbrüche auf der Sonnenoberfläche, die meist als Folge magnetischer Kurzschlüsse im Bereich größerer magnetisch komplexer Sonnenfleckengruppen auftreten. Flares strahlen im gesamten elektromagnetischen Spektrum. Häufig werden sie nach zwei Kriterien klassifiziert, zum einen nach der Flächenausdehnung während ihrer maximalen Intensität in der Emissionslinie des neutralen atomaren Wasserstoffs (Klassen 1, 2, 3, 4 mit Helligkeitsunterklassen F, N, B), zum anderen nach der maximalen Strahlungsleistung der Röntgenstrahlung im Wellenlängenbereich 0,1-0,8nm, gemessen am Oberrand der Erdatmosphäre (Klassen B, C, M, X).

Wie auch schon im Jahr davor blieb auch im Jahr 2019 die Zahl an Sonneneruptionen überschaubar. Wertet man nach Röntgenklassen aus, so gab es insgesamt nur 32 Flares der Klasse C oder höher (Strahlungsleistung > 0,000001W/m²) (z.Vgl. 2018: 13). Im Vergleich dazu liegt der Jahresmittelwert selbst im aktuellen, immer noch andauernden und bekanntlich ja sehr schwachen Sonnenfleckenzyklus 24 bislang bei 715 Flares, im Zyklus 23 traten im Mittel sogar 1060 Flares pro Jahr auf. Die erwähnten 32 Sonneneruptionen des Jahres 2019 verteilten sich auf nur drei Monate, auf den Januar mit 6 Flares sowie März und Mai mit jeweils 13. Seit 16. Mai 2019 ist jedenfalls keine Eruption ab der Klasse C mehr aufgetreten, immerhin 230 Tage lang bis Jahresende. Dies markiert damit auch die bislang längste durchgehende Zeitreihe ohne eine einzige Sonneneruption ab der Klasse C innerhalb beider Sonnenfleckenzyklen 23 und 24. Auf die Klassen M (Strahlungsleistung > 0,00001W/m²) oder X (Strahlungsleistung > 0,0001 W/m²) wartete man überhaupt, wie auch schon im vergangenen Jahr 2018, wieder vergeblich.

 
Protonen-Events:

Als Protonen-Event bezeichnet man das Eintreffen einer signifikanten Menge hochenergetischer Protonen, die mit großer Geschwindigkeit von der Sonne abgegeben werden und in der Folge das Sonnensystem rasend schnell durchqueren. Als Verursacher für solche Ereignisse kommen zum einen intensive Sonneneruptionen in Frage, eine erhebliche Anzahl starker Protonen-Events dürfte aber vor allem auf die beschleunigende Wirkung von Schockfronten expandierender CMEs (Koronaler Massenauswürfe) mit Schockstruktur zurückzuführen sein. Klassifiziert werden Protonen-Events nach ihrer Raumdurchflussstärke, die am Oberrand der Erdatmosphäre gemessen wird, wobei für die NOAA Sturmkategorien speziell Protonen mit Energiebeträgen über 10MeV in die Bewertung einfließen.

Nennenswerte Protonen-Events konnten im Jahr 2019 wie auch schon im Jahr davor nicht festgestellt werden (z.Vgl. 2018: 0), selbst der Schwellwert für die unterste Klasse S1 (Raumdurchflussstärke > 10p/srcm²s) blieb außer Reichweite, mittlerweile seit 27 Monaten.

 
Geomagnetische Aktivität:

Die geomagnetische Aktivität wird vom Erdboden aus mittels Magnetometer erhoben und anhand verschiedener Indizes quantifiziert. Besonders gut für statistische Auswertungen eignet sich dabei der sogenannte Ap-Index, ein weltweit erfasster Wert, der den Grad der geomagnetischen Störungen, bereinigt von Standort- und Tagesgangeffekten, recht gut wiedergibt. Im Jahr 2019 blieb der Ap-Wert erneut und insgesamt bereits das sechzehnte Jahr ohne Unterbrechung unter dem langjährigen Durchschnitt (1933-2008) von 14,4. Mit nur 6,1 markierte er den drittniedrigsten Wert überhaupt seit Aufzeichnungsbeginn im Jahr 1933, lediglich in den Jahren 2009 und 2010 lag er noch tiefer. Am geomagnetisch aktivsten zeigte sich dabei noch der September mit einem Ap-Index von 9,8. Die geringste geomagnetische Aktivität wies der Dezember auf mit einem Ap-Index von nur 3,2, womit er den tiefsten Stand seit Januar 2010 erreichte.

Betrachtet man tägliche Ap-Werte und weist sie entsprechend einer Definition des NOAA SWPC sogenannten „Geomagnetischen Aktivitätslevels“ zu, so ergibt sich folgende Häufigkeitsverteilung für das Jahr 2019 (in den Spalten rechts der Vorjahreswert sowie kursiv der langjährige Durchschnitt 1933-2008):

quiet / ruhig 283 Tage 2018: 253 langjährig 140
unsettled / unbeständig 65 Tage 2018: 83 langjährig 118
active / aktiv 13 Tage 2018: 25 langjährig 70
minor storm / leichter Sturm 4 Tage 2018: 3 langjährig 25
major storm / großer Sturm 0 Tage 2018: 1 langjährig 10
severe storm / schwerer Sturm 0 Tage 2018: 0 langjährig 2

Geomagnetisch aktive Monate suchte man 2019, wie auch bereits im Jahr davor, vergeblich, denn in keinem Monat gab es weniger als 26 Tage, welche den Klassen „ruhig“ oder bestenfalls „unbeständig“ zugeordnet werden mussten. Im April, Juli, November und Dezember gehörten überhaupt gleich alle Tage zu diesen Kategorien, wobei im Dezember selbst „unbeständige“ Tage selten waren und 29 Tage komplett „ruhig“ ausfielen. Um noch mehr geomagnetisch „ruhige“ Tage in einem Monat anzutreffen, muss man schon bis zum Januar 2010 zurückblicken, wo sogar 30 Tage dieser untersten Kategorie entsprachen. Als noch halbwegs aktivste Phase des Jahres 2019 lassen sich die Monate August und September zusammenfassen, in welchen Tage mit einem Aktivitätslevel „aktiv“ oder höher zwar auch nur insgesamt 6 mal vorkamen, aber immerhin 3 Tage davon sogar die Kategorie „schwacher Sturm“ erreichten.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt man auch, wenn man geomagnetische Stürme entsprechend den NOAA Space Weather Scales auswertet. Angelegt an die Saffir-Simpson-Skala für Hurrikanes sind auch die NOAA Space Weather Scales (Strahlungs-, Protonen-, Geomagnetische Stürme) in jeweils 5 ansteigende Stufen mit zunehmender Gefährlichkeit unterteilt. Während im Normalfall G1-Stürme, die durchschnittlich an etwa 88 Tagen pro Jahr auftreten, und G2-Stürme mit immerhin 36 Tagen nicht gerade seltene Ereignisse darstellen, kann mit G3-Stürmen noch an gut 13 Tagen pro Jahr gerechnet werden, während hingegen Stürme der Kategorie G4 mit durchschnittlich 4,5 Fällen und G5-Stürme mit gerade mal 0,3 Fällen pro Jahr nur noch sporadisch in Erscheinung treten. Im geomagnetisch inaktiven Jahr 2019 gab es nur an 18 Tagen einen G1-Sturm (z.Vgl. 2018: 20) und an nur 2 Tagen einen G2-Sturm (2018: 8). G3-Stürme (2018: 1) sowie G4-Stürme (2018: 0) wurden nicht registriert. Der bislang letzte G5-Sturm ist überhaupt schon sehr lange her und datiert vom 30. Oktober 2003.

 
Polarlichter:

Ein stark wachsendes mediales Interesse, die zunehmende Anzahl an Beobachtern, der rege Austausch über Internetforen und nicht zuletzt die Anwendung von lichtstarken, häufig auch automatischen Kameras führte in den letzten Jahren zu einer übermäßig rasch ansteigenden Zahl an Polarlichtbeobachtungen, die einen Vergleich mit früheren Jahren unmöglich macht. Im vergangenen Jahr 2019 konnten aber auch diese vielfältigen Möglichkeiten nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir uns am Ende eines Sonnenfleckenzyklus und demnach in einer Phase minimalster Sonnenaktivität befinden. So konnten im deutschsprachigen Raum entsprechend dem umfangreichen und schön gestalteten Polarlichtarchiv von Andreas Möller sowie der ebenfalls sehr gut geführten Polarlichtstatistik von Thomas Sävert im Jahr 2019 nur noch 7 Nächte (2018: 12) mit Polarlicht notiert werden. Nur eines dieser Ereignisse war etwas auffälliger, während hingegen die überwiegende Zahl dieser Nächte lediglich zu fotografisch nachweisbaren Polarlichtern führte. Jedenfalls waren alle dieser Ereignisse auf den Norden Deutschlands beschränkt.

Andreas Pfoser, 28. Januar 2020

Quellen der Rohdaten:
NOAA, Space Weather Prediction Center
Deutsches GeoForschungsZentrum, Helmholtz-Zentrum, Potsdam
WDC SILSO, Royal Observatory of Belgium, Brussels

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