2015

Space Weather Jahreszusammenfassung

 
Flares / Sonneneruptionen:

Flares (Sonneneruptionen) sind extreme Strahlungsausbrüche auf der Sonnenoberfläche, die meist als Folge magnetischer Kurzschlüsse im Bereich größerer magnetisch komplexer Sonnenfleckengruppen auftreten. Flares strahlen im gesamten elektromagnetischen Spektrum. Häufig werden sie nach zwei Kriterien klassifiziert, zum einen nach der Flächenausdehnung während ihrer maximalen Intensität in der Emissionslinie des neutralen atomaren Wasserstoffs (Klassen 1, 2, 3, 4 mit Helligkeitsunterklassen F, N, B), zum anderen nach der maximalen Strahlungsleistung der Röntgenstrahlung im Wellenlängenbereich 0,1-0,8nm, gemessen am Oberrand der Erdatmosphäre (Klassen B, C, M, X).

Wertet man nach Röntgenklassen aus, so kann man für das Jahr 2015 insgesamt 1504 Flares der Klasse C oder höher (Strahlungsleistung > 0,000001W/m²) eintragen (z.Vgl. 2014: 2022). Das ist nach dem Vorjahr immerhin noch der zweithöchste Wert des aktuellen Sonnenfleckenzyklus, darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Sonnenaktivität seit Erreichen des zweiten Fleckenmaximums im April 2014 eindeutig rückläufig ist. Vom zweiten Maximum spricht man, weil – wie bereits in den vier vorhergehenden Sonnenfleckenzyklen 20-23 – auch im aktuellen Zyklus 24 die relevante Maßzahl für die Fleckenaktivität (13-monatig-übergreifende Monatsmittel der täglichen Sonnenfleckenrelativzahl) nicht in einem (wie zuletzt im März 1958, Zyklus 19) sondern in zwei Maxima gipfelte (März 2012 und April 2014). Dabei ist nur in den Zyklen 23 und 24 das zweite Maximum höher ausgefallen als das erste. Der aktivste Monat im Jahr 2015 war übrigens der März mit 223 Flares, am schwächsten stand hingegen der Juli mit nur 46 Flares zu Buche. Flares ab der Klasse M (Strahlungsleistung > 0,00001W/m²) traten 2015 insgesamt 127 mal auf (2014: 224). X-Klasse-Flares (Strahlungsleistung > 0,0001W/m²) ereigneten sich nur 2 mal (2014: 16), was für diese Klasse den geringsten Wert seit dem Jahr 2010 bedeutet. Die intensivste Sonneneruption des Jahres trat am 5. Mai 2015 um 22:11 UTC (6.Mai um 00:11 MESZ) auf. Mit der Stufe X2.7 verfehlte sie allerdings alle Jahreshöchstwerte der vier unmittelbar vorangehenden Jahre 2011 bis 2014.

 
Protonen-Events:

Als Protonen-Event bezeichnet man das Eintreffen einer signifikanten Menge hochenergetischer Protonen, die mit großer Geschwindigkeit von der Sonne abgegeben werden und in der Folge das Sonnensystem rasend schnell durchqueren. Als Verursacher für solche Ereignisse kommen zum einen intensive Sonneneruptionen in Frage, eine erhebliche Anzahl starker Protonen-Events dürfte aber vor allem auf die beschleunigende Wirkung von Schockfronten expandierender CMEs (Koronaler Massenauswürfe) mit Schockstruktur zurückzuführen sein. Klassifiziert werden Protonen-Events nach ihrer Raumdurchflussstärke, die am Oberrand der Erdatmosphäre gemessen wird, wobei für die NOAA Sturmkategorien speziell Protonen mit Energiebeträgen über 10MeV in die Bewertung einfließen.

Im Jahr 2015 wurden nach dieser Definition insgesamt 4 Protonen-Events der Klasse S1 (Raumdurchflussstärke > 10p/srcm²s) aufgezeichnet (z.Vgl. 2014: 5), davon konnte aber nur 1 auch die Schwelle zur Klasse S2 (Raumdurchflussstärke > 100p/srcm²s) überbieten (2014: 3), wobei dieser auch noch S3-Level (Raumdurchflusstärke > 1000p/srcm²s) (2014: 1) schaffte. Der Jahreshöchstwert erreichte dabei 1070p/srcm²s und wurde am 22. Juni 2015 um 19:00 UTC (21:00 MESZ) inmitten eines 2 Tage 09 Stunden 30 Minuten andauernden Protonen-Sturms erzielt. Betrachtet man die Entwicklung vergangener Jahre, so ist die Anzahl der Protonen-Events seit ihrem Höhepunkt im Jahr 2012 weiterhin und auch stetig rückläufig. Man muss bereits bis in das Jahr 2010 zurückblicken, um noch weniger Protonen-Ereignisse als im Jahr 2015 vorzufinden.

 
Geomagnetische Aktivität:

Die geomagnetische Aktivität wird vom Erdboden aus mittels Magnetometer erhoben und anhand verschiedener Indizes quantifiziert. Besonders gut für statistische Auswertungen eignet sich dabei der sogenannte Ap-Index, ein weltweit erfasster Wert, der den Grad der geomagnetischen Störungen, bereinigt von Standort- und Tagesgangeffekten, recht gut wiedergibt. Im Jahr 2015 blieb der Ap-Wert erneut und insgesamt bereits das zwölfte Jahr ohne Unterbrechung unter dem langjährigen Durchschnitt (1933-2008) von 14,4. Mit 12,2 markierte er aber wenigstens den besten Wert seit dem Jahr 2005, das sind immerhin 10 Jahre. Am geomagnetisch aktivsten zeigte sich dabei der März mit einem Ap-Index von 16,1, gefolgt vom September mit 15,8. Gemeinsam mit dem März 2012, in welchem ebenfalls 16,1 erreicht wurde, stellen diese beiden Werte die höchsten des aktuellen Sonnenfleckenzyklus dar. Ein noch höherer Wert wurde zuletzt vor 10 Jahren im September 2005 mit 20,1 erzielt.

Betrachtet man tägliche Ap-Werte und weist sie entsprechend einer Definition des NOAA SWPC sogenannten „Geomagnetischen Aktivitätslevels“ zu, so ergibt sich folgende Häufigkeitsverteilung für das Jahr 2015 (in den Spalten rechts der Vorjahreswert sowie kursiv der langjährige Durchschnitt 1933-2008):

quiet / ruhig 155 Tage 2014: 227 langjährig 140
unsettled / unbeständig 128 Tage 2014: 104 langjährig 118
active / aktiv 55 Tage 2014: 30 langjährig 70
minor storm / leichter Sturm 19 Tage 2014: 4 langjährig 25
major storm / großer Sturm 7 Tage 2014: 0 langjährig 10
severe storm / schwerer Sturm 1 Tage 2014: 0 langjährig 2

Als der geomagnetisch aktivste Monat des Jahres 2015 zeigte sich diesmal der März mit nur 7 „ruhigen“ Tagen. Das ist durchaus beachtlich, denn weniger „ruhige“ Tage in einem Monat gab es zuletzt im Januar 2004. Zudem konnte der März auch endlich wieder einmal mit 1 Tag der höchsten Klasse „schwerer Sturm“ aufwarten, welcher sich am 17. März 2015 mit einem Tages-Ap-Index von 108 manifestierte. Damit sind nahezu 10 Jahre vergangen seit zuletzt ein Tag dieser seltenen Kategorie zugeordnet werden konnte (11. September 2005). Dies liegt weit außerhalb der Norm, gab es doch bislang seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1933 nie einen länger als 4½ Jahre dauernden Zeitabschnitt ohne einen einzigen Tag der Kategorie „schwerer Sturm“. Zeitlich dauerte dieser Sturm übrigens 27 Stunden lang an (17. März 03 UTC bis 18. März 06 UTC) und erreichte dabei die zweithöchste Stufe G4 der „NOAA Space Weather Scales for Geomagnetic Storms“. Eine ausführliche Analyse dazu kann hier nachgelesen werden –> –> G4 Sturm 17./18. März 2015. Insgesamt fiel aber das Jahr 2015 geomagnetisch unterdurchschnittlich aus. In nur einem Monat (Dezember) wurde der langjährige Monatsmittelwert nennenswert überboten, in zwei Monaten lag er wenigstens noch knapp über dem Mittel, während er in den restlichen neun Monaten den Normalwert teils deutlich verfehlte. Als geomagnetisch ruhigster Monat des Jahres erwies sich der Mai mit 22 „ruhigen“ Tagen und nur 2 Tagen, welche die Klassen „aktiv“ oder höher erreichten.

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt man, wenn man geomagnetische Stürme entsprechend den NOAA Space Weather Scales auswertet. Angelegt an die Saffir-Simpson-Skala für Hurrikanes sind auch die NOAA Space Weather Scales (Strahlungs-, Protonen-, Geomagnetische Stürme) in jeweils 5 ansteigende Stufen mit zunehmender Gefährlichkeit unterteilt. Während im Normalfall G1-Stürme, die durchschnittlich an etwa 88 Tagen pro Jahr auftreten, und G2-Stürme mit immerhin 36 Tagen nicht gerade seltene Ereignisse darstellen, kann mit G3-Stürmen noch an gut 13 Tagen pro Jahr gerechnet werden, während hingegen Stürme der Kategorie G4 mit durchschnittlich 4,5 Fällen und G5-Stürme mit gerade mal 0,3 Fällen pro Jahr nur noch sporadisch in Erscheinung treten. Im Jahr 2015 gab es an 69 Tagen einen G1-Sturm (z.Vgl. 2014: 23), an 26 Tagen einen G2-Sturm (2014: 4) und an 8 Tagen trat ein G3-Sturm (2014: 0) auf. An 3 Tagen wurde ein G4-Sturm (2014: 0) registriert, und zwar am 17. März 2015 sowie am 22. und 23. Juni 2015. Der bislang letzte G5-Sturm ist allerdings schon länger her und datiert vom 30. Oktober 2003.

 
Polarlichter:

Ein stark wachsendes mediales Interesse, die zunehmende Anzahl an Beobachtern, der rege Austausch über Internetforen und nicht zuletzt die Anwendung von lichtstarken, häufig auch automatischen Kameras führte in den letzten Jahren zu einer übermäßig rasch ansteigenden Zahl an Polarlichtbeobachtungen, die einen Vergleich mit früheren Jahren unmöglich macht. So konnte im deutschsprachigen Raum entsprechend dem umfangreichen und schön gestalteten Polarlichtarchiv von Andreas Möller im Jahr 2015 die rekordverdächtige Zahl von 38 Nächten (2014: 15) mit Polarlicht notiert werden. Die ebenfalls sehr gut geführte Polarlichtstatistik von Thomas Sävert spricht von zumindest 30 Nächten mit sichtbaren oder fotografisch nachweisbaren Polarlichtern. Die meisten dieser Ereignisse waren natürlich nur schwach ausgeprägt und konnten teilweise überhaupt nur fotografisch festgestellt werden. Einige Polarlichter waren aber auch heller und erstreckten ihre Wahrnehmbarkeit bis an den Alpenraum heran. Zumindest die vom oben erwähnten geomagnetischen Sturm geprägte Nacht des 17./18. März 2015 trat dann auch etwas auffälliger hervor mit in Österreich und der Schweiz gut fotografierbarem und an dunklen Stellen teilweise sogar mit dem Auge sichtbarem Polarlicht.

Andreas Pfoser, 28. Januar 2016

Quellen der Rohdaten:
NOAA, Space Weather Prediction Center
Deutsches GeoForschungsZentrum, Helmholtz-Zentrum, Potsdam
WDC SILSO, Royal Observatory of Belgium, Brussels

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